Sorgerecht
Die Sorge über das eheliche Kind steht grundsätzlich beiden Eltern gleich zu. Die Annahme, mit der Scheidung müsse zugleich einem der Elternteile zugesprochen werden, ist falsch. Das Scheidungsverfahren ändert nichts an dem Grundsatz, dass beide Eltern weiterhin sorgeberechtigt sind. Die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater oder die Mutter erfolgt ausschließlich auf Antrag hin und wird von den Gerichten restriktiv ausgeübt. Der Entzug des Sorgerechts ist gem. § 1666 BGB die letzte Maßnahme, um eine Kindeswohlgefährdung auszuschließen. Das alleinige Sorgerecht wird daher lediglich gewährt bei:
- Mangelnder Kooperationsfähigkeit oder mangelnden Kooperationswillen der Eltern
- Fehlender Bindung eines der Elternteile zum Kind
Es genügt nicht allein:
- Schlechter Umgang bzw. Einfluss des anderen Elternteils
- Desinteresse oder Abwesenheit des anderen Elternteils
- Unterhaltsschulden
Ein Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge ist hingegen in folgenden nachweisbaren Fällen erfolgversprechend:
- Vernachlässigung des Kindes
- Gesundheits- oder Vermögensgefährdung
- Suchtprobleme der Eltern
- Verletzung der Schulpflicht
- Missbrauch des Sorgerechts (Förderung strafbarer Handlungen)
Es ist zu betonen, dass der geschilderte Grundsatz der gemeinsamen Sorge keine Anwendung auf uneheliche Kinder findet. Leben die Eltern jahrelang unverheiratet, so muss oftmals der Vater zu seinem Entsetzen feststellen, dass er bei dem gemeinsamen Kind – zumindest rechtlich gesehen – kein Mitspracherecht hat, denn gesetzlich gilt: Wenn zum Zeitpunkt der Geburt keine Ehe zwischen den Eltern besteht, hat grundsätzlich zunächst nur die Mutter das Sorgerecht.
Um diesen rechtlichen Nachteil auszugleichen, hat der Kindesvater die Möglichkeit, das gemeinsame Sorgerecht zu beantragen. Das Familienrecht hat hier eine gesetzliche Vermutung aufgestellt: Die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts dient dem Kindeswohl. Deshalb ist auf Antrag grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht auf beide Eltern zu übertragen, falls nicht ein Ausnahmefall vorliegt (OLG Nürnberg FamRZ 2014,571; OLG Koblenz NZFam 2015,90). Der Antrag auf gemeinsames Sorgerecht kann nur abgewiesen werden, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt wird, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widerspricht.
Abschließend bleibt der Hinweis, dass die Anerkennung eines Kindes – anders als in Polen – nicht automatisch zur Begründung des Sorgerechts führt. Zwar wird mit der Anerkennung der Vaterschaft bei finanzieller Leistungsfähigkeit eine Unterhaltspflicht ausgelöst, ein Mitspracherecht erhält der Kindesvater hierdurch nicht. Hierzu ist eine gesonderte Erklärung beider Eltern vor dem Jugendamt oder einem Notar erforderlich.